Nachdem ich jetzt schon in verschiedenen Blogs einiges zu diesem Thema gelesen habe, möchte ich mich doch auch mal dazu äußern. Die Meinungen gehen hier weit auseinander. Es gibt Menschen die den Tod, oder das Sterben eines Spielercharakters (SC) grundlegend ausschließen, es nur in Sonderfällen anwenden, es als stilistisches Mittel einsetzen, oder es als Bestandteil des jeweiligen Systems, welches man spielt, sehen.
Am Anfang war die Gruppe
Spielleiter (SL) und Spieler setzen sich zusammen und handeln den für die Gruppe gültigen Gruppenvertrag aus, sei dies nun bewusst, oder unbewusst. Man einigt sich auf das System, auf geltende Hausregeln, auf Go’s und No-Go’s und setzt sich dabei auch mit dem Thema Charaktertod auseinander. Je nach Spielsystem gibt es dabei mehr, oder weniger, zu besprechen. Um ein paar Beispiele zu nennen:
Paranoia
Jeder Spieler hat ein gewisse Anzahl an Klonen und es ist eigentlich Ziel die anderen Spieler zu eliminieren.
Cthulhu
Einen SC spielt man maximal 2 bis 3 Abenteuer. Das endgültige Ergebnis ist, dass dieser wahnsinnig wird, bei Begegnungen mit Kultisten, oder Mythoswesen stirbt, oder halt durch den Wahnsinn stirbt und am besten dadurch noch andere SC’s gefährdet, so das sie dasselbe Schicksal teilen.
Pathfinder
Ein SC startet bei Level 1. Er rettet Menschen in Not, bekommt von einem Nichspielercharakter (NSC) den Auftrag, ihm 5 mal den Gegenstand X zu besorgen, leert monsterverseuchte Dungeons, plündert und brandschatzt, bringt Königreiche zu Fall, oder baut diese auf. Am Ende hat er irgendwann das Maximallevel 20 erreicht und kann sich zur Ruhe setzen. Auf dieser Reise kann es aber auch vorkommen, dass er sich mal mit den Falschen anlegt und ihn das Zeitliche segnet.
Shadowrun
Als SC versucht man mit Erpressung, Mord und Totschlag, Beschattung, Diebstahl, oder als Kurier seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das Geld steckt man dann in neue Ausrüstung, Cyber- und Bioware, oder in magische Fetische, um noch besser mit den Gefahren des Jobs umzugehen. In der aktuellen 5. Edition ist das ganze, im Vergleich zur 4. Edition, noch tödlicher und gefährlicher für die SC’s geworden.
Wie man sieht, kann der Tod essenzieller Bestandteil des Spiels sein, wie im Falle von Paranoia, ein mögliches Ende für den SC bei Cthulhu sein, oder ist eine mögliche Gefahr für den SC, die ihn auf seinen Abenteuern begleitet, wie es bei Pathfinder und Shadowrun ist. Die ersten beiden Spiele, würde man weder spielen noch leiten, wenn man ein Problem damit hat, dass der SC stirbt. In den anderen beiden Spielen kann es durchaus vorkommen das ein Charakter stirbt und das kann die verschiedensten Gründe haben.
Ich selber leite, seit gut einem halben Jahr, die Pathfinder-Kampagne Das Erwachen der Runenherrscher. Unsere Gruppe besteht aus erfahrenen Spielern und Spielleitern, die bereits eine breite Palette an Pen&Paper-Spielen gespielt/geleitet haben. Als Gruppenvertrag gilt für diese Kampagne: Die Würfel fallen, wie sie fallen. In Bezug auf den Charaktertod heißt das, dass ein Charakter stirbt, sollte er einen Rettungswurf nicht schaffen, oder sollte er zuviel Schaden bekommen. Aber dazu später mehr.
Sterben, nein Danke!
Als SL will man seinen One-Shot, Abenteuer, oder Kampagne leiten, klar ist kämpfen meistens ein Bestandteil davon. Denn auch die Helden wollen Erfahrungspunkte sammeln und sich weiter verbessern. Gerade als Anfänger hat man noch Probleme die Gefahren, die man den Helden entgegensetzen kann, richtig einzuschätzen. Also lässt man es ruhiger angehen. Oder man möchte sich mehr auf die Geschichte konzentrieren und gemeinsam mit den SC’s diese von Anfang bis Ende erleben, Kämpfe rücken dabei eher in den Hintergrund, denn die Geschichte und das erzählerische Element stehen im Vordergrund. Um den SC’s noch weiter helfen zu können, kann man als SL zum Beispiel den Schwierigkeitsgrad von Proben runtersetzen, oder auch die Würfelergebnisse bei sich selber abändern.
Beim Sammeln meiner ersten Erfahrungen als SL, habe ich mich auch zurückgehalten mit den Gegnern, oder habe mal ein Würfelergebnis geändert. Es war mir wichtiger ein Gefühl für das Leiten und das Erzählen der Geschichte zu bekommen, als die Spieler mit Gegnern zu überrennen. Viele Systeme geben einem Hilfestellungen, wie man die Gegner richtig einordnen kann. Sei es das HG-System bei Pathfinder, oder die Professionalitätsstufen bei Shadowrun. Auch hier habe ich mich damals, bei Shadowrun 4. Edition, immer strickt an das GRW gehalten. Mit der Zeit und der dazugewonnen Erfahrung habe ich begonnen mit den Werten der NSC’s zu spielen.
Sterben, dann aber mit Stil!
Irgendwann kann es in einer Runde vorkommen, dass ein Spieler abspringt, oder seinen SC nicht mehr spielen möchte und mit einem neuen SC wieder einsteigen möchte. Als SL hat man dazu eine Vielzahl von Möglichkeiten dieses besonders stilvoll zu gestalten. Sei es in einem besonderen heroischen Moment, in dem der SC den Gegner auf sich zieht, damit die restlichen Mitglieder den Rückzug antreten können, á la Gandalf vs Balrog. Oder der SC opfert sein Leben, damit ein anderer SC, oder NSC wieder in das Leben zurückkehren kann. Vielleicht hat auch der Spieler eine Idee, wie er sich das Ableben seines SC vorstellt, die der SL aufnehmen und umsetzen kann. Der Tod lässt sich aber auch als eine Ebene im Spiel selber einbauen. Zum Beispiel sterben die SC’s nur zum Schein, um eine gewisse Erfahrung mitgeteilt zu bekommen, genauso kann man es als plot hook nutzen.
Was dies angeht, habe ich bisher noch keine Erfahrung gemacht. Sollte ein Spieler allerdings meinen, besonders heroisch sein zu wollen, dann unterstütze ich ihn auch dabei. Genauso gut könnte ich sagen, dass er verdorbenen Fisch gegessen hat und nach wenigen Tagen an einer Lebensmittelvergiftung gestorben ist … nicht besonders heldenhaft.
Der Tod als ständiger Begleiter.
Ich denke mal, dass bei einem Großteil der Runden der Tod eines SC’s durchaus möglich ist. Immerhin besteht diese Gefahr, wenn man sich mit Riesen, Drachen, maschinengewehrbesetzten Drohnen, oder Cyborgs einlässt. Aber was kann dazu führen, dass ein Held das Zeitliche segnet? Dummheit, Würfelglück/-pech, oder taktische/strategische Entscheidungen. Betrachten wir doch mal die einzelnen Punkte.
Dummheit
„Du möchtest dich wirklich mit Lofwyr anlegen und ihn herausfordern?“
„Du möchtest ohne Sicherung die Klippe herunter springen?“
„Du möchtest mit dieser Panther XXL russisches Roulette spielen?“
Wer auf solche Fragen mit ja antwortet, der muss auch mit den Konsequenzen leben. Dummheit muss nun mal „bestraft“ werden und dieses endet in 99,999999999% der Fälle mit dem Tod des SC. Dies sorgt wahrscheinlich für schallendes Gelächter in der Runde und vielleicht hilft es einem Spieler auch seinen Spielstil anzupassen und weniger dumm durch die Welt zu laufen.
Bisher musste ich noch keinen SC aufgrund von Dummheit töten. Ich hätte aber auch keine Skrupel dies zu tun. Wenn man als Spieler nicht die offensichtlichen Hinweise, oder verdeckten Andeutungen des SL versteht, dann muss es auch so enden. Natürlich kann man als Spieler seinen SC auch auf diese Weise um die Ecke bringen, wenn man keine Lust mehr auf diesen hat. Aber ich persönlich würde dann doch lieber mit Stil in Gras beißen.
Würfelglück und Würfelpech
Jeder kennt das, es gibt diese Abende, an denen man besonders gut oder schlecht würfelt. Man erreicht haufenweise Erfolge, kritische Treffer oder würfelt eine 20 nach der anderen, oder man haut einen Patzer nach dem anderen raus. Wenn dieses auch noch so zusammenfällt, das der SL das Würfelglück gepachtet hat und die Spieler das Würfelpech, dann kann dieses schnell das Ende einer Runde sein. Klar sind Begriffe wie Pech und Glück rein subjektiv und jeder Würfel hat eine statistische Verteilung für die Augenzahlen die er zeigt, ABER jeder Spieler kennt es und hat es mehr als nur einmal erlebt.
Als Spieler kenne ich es mal Pech und mal Glück zu haben, aber im Großen und Ganzen hält sich dies die Waage und man hat überwiegend normale Abende. Was allerdings passieren kann, wenn man als SL das Glück auf seiner Seite hat und die SC’s das Pech auf ihrer Seite haben, das habe ich in der oben angesprochenen Kampagne bisher auch einmal erleben dürfen. In diesem Fall war es der Endgegner eines Kapitels, der den Helden extrem zusetzte. Die wichtigen Charaktere schafften ihre Rettungswürfe nicht, was die Gruppe nicht kompensieren konnte. Nachdem der Gegner seine wichtigen Zauber an die Helden verballert hatte, ging dieser in den Nahkampf über. In nur 2 Runden fielen Schurke und Krieger der Gruppe, beide bekamen bei drei Angriffen zwei kritische Treffer ab. Da ich auch den Schaden recht hoch würfelte, bedeutete das einen Schaden von mehr als 150 pro SC. Danach war es dann um den Kleriker geschehen, der sich zwar noch etwas hochheilen konnte, aber auch ein kritischer Treffer bei ihm reichte aus, um ihn nieder zu strecken. Zum Schluss blieb noch die Hexenmeisterin, die immer noch mit Personen festhalten bezaubert war. Dementsprechend gab es hier einen Coupe de Grace gegen sie, dem sie auch nicht standhalten konnte. Dies war das erste Mal das ich einen Total Party Kill (TPK) verursachte.
Taktik und Strategie
Während man so am spielen ist, kann es des öfteren vorkommen, dass man sich eine Taktik für einen bestimmten Gegner, oder eine Strategie für ein Gefecht zurecht legt. Was macht man aber, wenn diese Entscheidungen im Kampf nicht wirken, oder der Gegner immer die passende Antwort parat hat? Entweder man hat dafür einen alternativen Plan, wählt erstmal den Rückzug und versucht es erneut, oder man bricht in Panik aus. Die Entscheidungen die SC’s treffen, haben auch immer eine Auswirkung auf sie und Andere. So kann es bei einer Folge von unglücklich getroffenen Entscheidungen dazu kommen, dass ein SC sterben kann.
Auch hierzu kann ich ein Beispiel aus der Kampagne liefern. Die Gruppe traf auf einen Gegner der resistent gegen Magie war. Nach ein paar Runden hatten dies dann auch Kleriker und Magier der Runde geschnallt. Währenddessen stiegen Waldläufer und Schurke bereits eine Treppe rauf und damit in den nächsten Stock, wohin ihnen der Gegner aber nicht folgte, da dieser nur die Eingangsebene bewachte. Somit waren Magier und Kleriker als einzige auf dieser Ebene. Der Magier entschloss sich als erstes die Treppe zu erklimmen und in der selben Runde fiel der Kleriker. Der Magier entschloss sich dann kehrt zu machen, um den Kleriker einen Heiltrank zu verpassen. Dies ging damit aus, das erst der Magier starb und in der nächsten Runde der Kleriker. Am Ende mussten Schurke und Waldläufer ihre gefallenen Kameraden aufsammeln und mit ihnen aus dem Gebäuden fliehen.
Tot != Tod
In vielen Systemen bedeutet es nicht das Ende für einen SC, falls dieser mal sterben sollte. Es gibt je System die Möglichkeit dem Tod von der Schippe zu springen. Bei Pathfinder hat ein Kleriker, mit entsprechendem Level, eine Vielzahl an Zaubern mit denen er einen gerade Gefallenen wieder ins Leben zurück holen kann. Bei Shadowrun gibt es die Möglichkeit durch das Verheizen von Edge seinen SC zu retten. Dieser hat dann zwar mit Einschränkungen zu leben, je nachdem wie er ums Leben kam, aber er überlebt auf wundersame Weise.
Seit einiger Zeit muss jeder Abenteurer der der Gruppe beitritt einen Diamant an den Kleriker abgeben, damit er im Fall der Fälle „Tote erwecken“ wirken kann ;).
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Dass der Tod eines SCs nicht unbedingt den Tod eines SCs bedeuten muss, ist ja in vielen Systemen und auch Settings und Genres so. Ob es jetzt der Kleriker in der reinen Fantasy ist oder der Wunderheiler beim Steampunk oder einfach nur der Sheriffstern im Weg der Kugel beim Western – ich würde einen solchen Ausweg zwar nicht immer wählen wollen, aber manchmal ist es doch ganz schön zu wissen, dass es Möglichkeiten gibt.